
Geschichtliches
Historie
Der fürstliche Leibarzt und Prof. der Medizin Dr. Johannes Wolff hat durch testamentarische Verfügung die nach ihm benannte Stiftung errichtet, mit der rechtsverbindlichen Beurkundung des Testaments trat die Stiftung am 18. Juni 1611 ins Leben. In die Stiftung brachte Wolff u.a. seinen halben Anteil am Rittergut Ockershausen ein, der bis heute die Grundlage für die Erfüllung der Aufgaben der Stiftung bildet und deren nachhaltige Entwicklung fördert.
Die Stiftung überdauerte die lange Zeit durch ein umsichtig verfasstes Testament, den gewissenhaften Arbeiten der bestellten Zinsmeister und der positiven wirtschaftlichen Entwicklung. Ein glücklicher Umstand war die Errichtung des neuen Stiftungsgebäudes im Jahre 1913, das den baufälligen Altbau ersetzte. Damit entging die Stiftung dem inflationsbedingten Verlust des Stiftungsvermögens und die Arbeitsfähigkeit im Bereich der Altenstiftung blieb erhalten.
Ab dem Jahr 1947 übernahm Oberregierungsrat a.D. Wilhelm Schmidt, ein Nachfahre des Stifters, die Verwaltungsgeschäfte der Stiftung, die durch die Kriegs- und Nachkriegswirren mit ihren gesellschaftlichen Umwälzungen schwer belastet war. Im Ansehen des Stifterwillens gelang Schmidt die Neuordnung der Stiftung und rettete so deren Fortbestand. Seither werden die Aufgaben der Stiftung in der Altenhilfe und in der Studienförderung im Sinne der testamentarischen Verfügung erfüllt. Als Mitglied im Diakonischen Werk bilden christliche Werte wie Mitmenschlichkeit und Fürsorge, die schon im Testament verankert wurden, die Grundlage für die Arbeit der Stiftung.
Haupthaus um 1800
Wolff´sche Wappen Original
Kurzexposé über die Geschichte der Dr. Wolff’schen Stiftung
Die Dr. Wolff’sche Stiftung wurde am 18. Juni 1611 vom Marburger Medizinprofessor Johann Wolff testamentarisch gegründet. Wolff war zugleich Leibarzt der Landgrafen von Hessen. Dadurch und durch Heirat hatte er ein beträchtliches Vermögen erworben, zu dem ein ehemaliges Adelsgut in Ockershausen bei Marburg gehörte. Mit der Hälfte dieses Gutes stattete er eine Altenstiftung aus. Auf dem Gut sollten 8 alte Menschen aus Marburg und Ockershausen als „Pfründner“ einen würdigen Lebensabend verbringen können. Das Gut wurde so zu einem „Hospital“, worunter man damals kein Krankenhaus, sondern ein Wohnheim verstand.
Die Stiftung war einem protestantischen Arbeitsethos verpflichtet. Sie nahm keine Bettler auf, sondern nur arbeitsame und ehrbare Männer und Frauen, die durch Schicksalsschläge arm geworden waren. Sie sollten, solange ihre Kräfte ausreichten, auf dem Gut arbeiten. Sie erhielten eine gesunde, abwechslungsreiche Kost, die Dr. Wolff genau vorschrieb, und eine ärztliche Versorgung. Die Verwaltung oblag einem Zinsmeister, den die Wolff’schen Erben und Erbinnen und deren Nachkommen ernannten und überwachten. Männer und Frauen waren gleichberechtigt. Auch in Glaubensdingen war Wolff modern. Die Pfründner mussten zwar evangelisch sein, aber ob sie Lutheraner oder Calvinisten waren, war ihm egal, obwohl sich die beiderseitigen Theologen damals heftig bekämpften. Das Hospital bestand als Vollversorgungseinrichtung für 8 arme Männer und Frauen bis 1945. Statt der Naturalverpflegung erhielten die Pfründner aber seit Ende des 19. Jahrhunderts Geld. Die wirtschaftliche Grundlage blieb der Grundbesitz, der laut Testament nicht vermindert werden durfte. Auch andere Stiftungen hatten eine solche Vorschrift, aber man hielt sich oft nicht daran und das Vermögen schwand dahin. Nicht so bei der Wolffschen Stiftung. Wenn in Kriegs- und Krisenzeiten die Erträge nicht ausreichten, hat man die Zahl der Pfründner verringert, den Grundbesitz aber erhalten. Erst im Dritten Reich war er akut gefährdet. Landwirtschaftlicher Besitz sollte nur in Bauernhand sein und andere, auch Stiftungen, mussten ihn bis 1941 an Bauern verkaufen. Da der Kriegsausbruch dazwischen kam, wurde die Frist bis 1948 verlängert. Dann galt das Gesetz nicht mehr. Doch die Wirren der Nachkriegszeit, in der viele Stiftungen in den Besitz der Kommunen übergingen, hätte beinahe das Ende der selbständigen Stiftung gebracht, wenn nicht ein tatkräftiger Zinsmeister sie erhalten und in eine neue, moderne Rechtsform überführt hätte. Die Bewirtschaftung des Stiftungslandes wurde seit der Gründung ständig modernisiert. Von der eigenen Landwirtschaft ging man schon im 17. Jahrhundert zur Verpachtung an örtliche Bauern über. Im 19. Jahrhundert verpachtete man das Land erst an auswärtige Agrarunternehmer, dann teilte man es in Parzellen und versteigerte die Pacht meistbietend. Seit den 1950er Jahren wurden die bis dahin rein landwirtschaftlich genutzten Grundstücke an Bauherren und Gewerbebetriebe auf Erbpachtbasis vergeben. Dank gestiegener Einkünfte konnte die Stiftung Ende des 19. Jahrhunderts die andere Hälfte des ursprünglichen Wolffschen Gutes dazukaufen. Und 1913 konnte sie das baufällig gewordene alte Gutshaus durch einen größeren Neubau ersetzen, der noch heute ein Schmuckstück ist. Der Neubau von 1913 hatte 15 Kleinwohnungen, von denen 7 preiswert vermietet wurden. Das Nebeneinander von 8 bezahlten Pfründnern und 7 zahlenden Mietern wurde nach 1945 beendet. Die Stiftung stellt seitdem nur noch subventionierten Wohnraum zur Verfügung. Dieser wurde seit den 1960er Jahren durch 4 Neubauten erheblich vermehrt, so dass die Stiftung heute über 100 Senioren beherbergt. Neben der Altenstiftung gründete Wolff mit dem Testament von 1611 auch eine Stipendienstiftung, die er mit Kapitalvermögen ausstattete. Aus den jährlichen Zinserträgen unterstützte sie 2 bis 4 bedürftige Studenten, bis sie in der Inflation von 1923 ihr Kapital verlor. Seit den 1960er Jahren aber hat die Altenstiftung die Stipendienvergabe wiederbelebt. Heute werden zwischen 5 und 10 bedürftige Studenten und Studentinnen mit unterschiedlich hohen Beträgen unterstützt, darunter auch Ausländer. Die Entscheidung fällt ein Stipendienausschuss, dem Vertreter der Stiftung, der Professorenschaft und des Asta angehören.
Wenn Sie mehr wissen wollen, lesen Sie die gedruckte Geschichte der Stiftung aus der Feder des Marburger Historikers Prof. Dr. Günter Hollenberg: Die Stiftung Dr. Johann Wolffs in Marburg 1611-2011
Marburg 2011, 144 Seiten,31 Abbildungen, gebunden, 10 Euro. Das Buch ist zu beziehen von der Dr. Wolff’schen Stiftung, Stiftsstr. 25, 35037 Marburg.